Die Schließungswelle bei H&M reißt nicht ab. Wenige Wochen vor Weihnachten erwartete die Kollegen der H&M-Filiale am Potsdamer Platz in Berlin die Hiobsbotschaft - innerhalb von nur zwei (!) Monaten soll sie ihre Pforten schließen und viele langjährige Beschäftigte, die diese Filiale 1999 mit eröffnet hatten, werden nun von H&M auf die Straße gestellt.
Knapp 40 Kollegen, darunter viele Eltern, ältere sowie schwerbehinderte Kollegen, werden nun vermutlich ihren Job verlieren, denn H&M weicht bislang nicht von seiner Strategie ab, offenen Rechtsbruch zu praktizieren und das Kündigungsschutzgesetz mit Füßen zu treten.
Was ist damit gemeint?
Für die Rechtswirksamkeit der Kündigung kommt es nicht darauf an, ob der AG vorher eine Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Sinn einer Wirksamkeitsvoraussetzung vorgenommen hat (BAG 18.1.1990 NZA 1990, 729, 732). Entscheidend ist allein, ob die Umsetzung des gekündigten AN auf einen anderen freien Arbeitsplatz tats. mögl. war (BAG 3.2.1977 NJW 1977, 1846; s.a. BAG 24.9.2015 NZA 2015, 1457 Rn. 19ff.; HHL/Krause Rn. 784) und der AN bereit gewesen wäre, dort zu arbeiten. Insoweit trifft den AG eine Initiativlast; er hat dem AN vor jeder ordentl. Beendigungskündigung von sich aus eine beiden Parteien obj. mögl. und zumutbare Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz auch zu geänd. Bedingungen anzubieten (BAG 21.4.2005 NZA 2005, 1289, 1291; 29.8.2013 NZA 2014, 730 Rn. 22; 8.5.2014 NZA 2014, 1200 Rn. 13; LAG RP 25.6.2015 NZA-RR 2015, 634, 637; krit. Wank RdA 2012, 139, 143 ff.). [...] Eine Ausnahme kommt nur in Extremfällen in Betracht, wenn die Tätigkeit auf dem freien Arbeitsplatz für den AN schlechthin unzumutbar ist (BAG 8.5.2014 NZA 2014, 1200 Rn. 13; LAG RP 25.6.2015 NZA-RR 2015, 634, 637). – Erfurter Kommentar
Nach höchster Rechtsprechung Meinung muss ein Arbeitgeber vor einer betriebsbedingten Kündigung eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aktiv anbieten und darf nicht einfach nur auf offene Stellen verweisen, so wie es H&M mit seiner "Job-Börse" macht. Ausnahmen zu dieser Pflicht für Arbeitgeber kann es laut Bundesarbeitsgericht wortwörtlich nur in "Extremfällen" geben. Für H&M ist diese "extreme" Ausnahme aber das ganz offizielle Modell zur Beschäftigungssicherung. Selten so gelacht.
Wieso funktioniert das?
Weil am Ende des Tages niemand anders als der Kollege selbst dagegen mit einer Kündigungsschutzklage vorgehen kann. Weder über einen möglichen Interessenausgleich noch auf anderem Wege kann H&M rechtsverbindlich daran gehindert oder gar dafür bestraft werden. Der einzige Trost ist, dass die Erfolgsaussichten der Klagen gegen die Kündigung alleine wegen dieser Ignoranz von H&M vielversprechend sind.
Wir wünschen den Kollegen in Berlin und aus anderen Schließungsfilialen viel Kraft und trotz allem schöne Feiertage! Bei den Verantwortlichen von H&M darf dafür gerne der Grinch vorbeischauen – wer so mit seinen Mitarbeitern umgeht, sollte sich in Grund und Boden schämen.
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