Dienstag, 21. April 2020

Dreist, dreister, H&M - Wenn Profit über allem steht



Für uns alle ist die aktuelle Pandemiesituation rechtliches und gesellschaftliches Neuland. Sowohl die Politik und Wirtschaft, als auch die Bevölkerung stimmen aber gemeinsam in der Wertung überein, dass die Sicherung von Menschenleben vor dem unternehmerischen Profit stehen muss. Um diese Wertung auch in rechtlicher Hinsicht zu gewährleisten und so Beschäftigte vor den gesundheitlichen Gefahren der Corona-Krise zu schützen, wurden von der Politik jüngst entsprechende Gesetze, Verfügungen und Arbeitsschutzstandards erlassen. So ist im Allgemeinen zur Öffnung einer Filiale regelmäßig ein mitbestimmtes betriebliches Maßnahmenkonzept zum Infektionsschutz erforderlich. Ein solches erfordert unter Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretungen regelmäßig eine Arbeitsplatzgestaltung zur Gewährung der Einhaltung des Mindestabstands, Anforderungen an Sauberkeit und Lüftung, die Zurverfügungstellung eines Mund-Nasen-Schutzes und vieles mehr.

H&M verfolgt indes augenscheinlich einen anderen Weg und stellt dabei zum Trotz der gesellschaftlichen und rechtlichen Wertungen offenbar den Profit vor das Menschenleben. Bisher medial bekannt gewordene Sachverhalte, wonach H&M hierzulande die Mieten ausgesetzt und Aufträge in Asien storniert hat, ist dabei nur die Spitze des Eisbergs.


Zahlreiche Verstöße gegen den Infektionsschutz


Insbesondere mit dem Infektionsschutz der Beschäftigten und Kund*innen scheint man es bei H&M nicht so genau zu nehmen. Zwar soll ein internes Team mit Maßnahmen zum Infektionsschutz betraut sein, inwieweit diese Maßnahmen zweckgemäß und wirksam sind, ist jedoch fraglich. So sollen bereits umgehend Filialen geöffnet werden, ohne dass ein erforderliches mitbestimmtes Maßnahmenkonzept zum Infektionsschutz bekannt ist. Bei einigen Filialen soll dies bereits heute der Fall sein, obwohl laut verschiedenen örtlichen Schilderungen teilweise weder ein Mund-Nasen-Schutz und Desinfektionsmittel durch H&M zur Verfügung gestellt werden kann, noch ein üblicher Plexiglasschutz an den Kassen angebracht wurde. Ebenso nicht vorhanden ist eine Personaleinsatzplanung. Dass sich H&M im Rahmen von Kurzarbeit jüngst zu einer 4-tägigen Ankündigungsfrist von Arbeitseinsätzen gegenüber den Beschäftigten betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet hat, scheint dabei irrelevant zu sein. Arbeitnehmervertretungen, welche zwar ebenso eine zügige Wiedereröffnung forcieren, gleichzeitig aber die gemeinsame Erarbeitung eines vollumfänglichen Arbeits- und Gesundheitsschutzkonzepts zum Zweck des Schutzes der Beschäftigten voraussetzen, wird laut deren Schilderungen seitens H&M eine Blockadehaltung vorgeworfen.


Versuche ausgehandelte Vereinbarungen zu umgehen


Gleichzeitig versucht H&M in mehreren Stores bereits existierende und gültige Vereinbarungen zur Kurzarbeit im Nachhinein zu seinen Gunsten abzuändern. Trotz der Wiedereröffnung von Stores soll Kurzarbeit ab Juni um weitere Monate verlängert werden. Dabei versucht H&M bereits für die aktuell laufende Kurzarbeitsphase vom 18.03. bis 31.05. sich in einer zunehmenden Anzahl von Filialen nachträglich von dem vom Gesamtbetriebsrat erreichten Verhandlungsergebnis zu lösen. Demgemäß forciert H&M, dass Studierende und Beschäftigte auf 450-Euro-Basis trotz reduzierter Arbeitszeit mit sofortiger Wirkung sowohl aus der Entgeltersatzzahlung, welche sie aktuell erhalten, als auch aus dem Kündigungsschutz herausgenommen werden. Dies hätte zur Folge, dass diese Beschäftigungsgruppen neben der Angst um ihren Job auch vor dem finanziellen Ruin stünden. Darüber hinaus soll der Betriebsrat seine Mitbestimmung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz nahezu aufgeben, obwohl dieser aktuell wichtiger denn je ist.



Verdacht des Sozialversicherungsbetrugs


Zuletzt steht intern gegenüber dem Arbeitgeber der Vorwurf des Betrugs im Rahmen des Kurzarbeitergelds und Sozialversicherungsbetrugs im Raum. So bezieht H&M aktuell Kurzarbeitergeld vom Staat. Dies hat zur Folge, dass H&M kein Gehalt mehr zu zahlen hat, gleichzeitig aber auch keine Arbeitspflicht mehr besteht. Dies hält H&M aber nicht davon ab, Beschäftigte während der Kurzarbeitsphase in ihrer Freizeit unentgeltlich zum Selbstnähen von Atemschutzmasken für die Kolleg*innen der Filialen oder der Erstellung von Mitarbeitervideos zu Werbezwecken zu motivieren. Ebenso werden Betriebsräte unter Druck gesetzt und aufgefordert im Interesse von Projekten des Arbeitgebers in ihrer Freizeit – sogar nachts – für H&M tätig zu werden, ohne dafür das Arbeitsentgelt zu erhalten. Sogar die nächtliche Verhandlung des Gesamtbetriebsrats im März über die Einführung von Kurzarbeit soll aus Sicht des Arbeitgebers im Nachhinein unentgeltliches Freizeitvergnügen auf Kosten des Steuerzahlenden sein. Denn bei alledem handelt es sich um Tätigkeiten, durch welche normalerweise Arbeitsentgelt entrichten ist und Sozialversicherungsbeiträge an den Staat zu leisten sind. Mit seiner Herangehensweise umgeht H&M jedoch die Entstehung von Sozialversicherungsbeiträgen und Arbeitsentgelt, und lässt sich diese Tätigkeiten indessen durch den Steuerzahlenden subventionieren.

Nach örtlichen Informationen sind zu einigen dieser Sachverhalte bereits rechtliche Schritte gegen H&M eingeleitet oder werden zumindest geprüft. Es bleibt nur dabei zu hoffen, dass die Wertung zwischen Menschenleben und Profit zukünftig nicht nur in Worten erfolgt, sondern auch danach gehandelt wird.

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