Sonntag, 26. April 2020

„Wer Stretchfolie als Infektionsschutz nutzt, hat die Kontrolle über seinen Laden verloren!"


„Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ So sprach einst die große Mode-Ikone Karl Lagerfeld. 2005 begeisterte er mit einem Hauch von Luxus für Normalbürger, als eine Kollektion von Lagerfeld exklusiv bei H&M erschien.

Genau 15 Jahre später möchte H&M anscheinend seine Kunden mit der Banalität des Alltäglichen abschrecken. Inmitten der Corona-Pandemie müssen ordinäre Stretch-Folien als Infektionsschutz im Kassenbereich herhalten. Wir denken an Karl zurück und meinen: „Wer Stretch-Folien als Infektionsschutz nutzt, hat die Kontrolle über seinen Laden verloren!“





Wer dies als Infektionsschutzkonzept ansieht …





 
... muss sich über Hohn und Spott in den sozialen Netzwerken nicht wundern!

 

 
Auch hier erschließt sich nicht, warum der Spuckschutz zum einen vor der Kasse selbst fehlt, und zum anderen wie der Kunde mit Karte bezahlen soll, ohne unter dem „Schutz“ durchzukriechen zu müssen.



 
Wie hier mehrere Beschäftigte oder Kunden unter Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstands passieren sollen, ist fraglich.



Ob die hier bebilderten Infektionsschutzversuche das „Werk“ der verantwortlichen Geschäftsführer von H&M sind, oder diese derzeit ihren Beitrag leisten indem sie sich aktuell eventuell sogar selbst in Kurzarbeit befinden, wissen wir nicht. Ihre Vertreter sind jedenfalls augenscheinlich nicht in Kurzarbeit, denn sie geraten nach betriebsinternen Informationen zunehmend außer Rand und Band:

Nicht nur die unzureichenden Infektionsschutzversuche, welche im Internet zunehmend Hohn und Spott ernten, zeigen dass es sinnvoll gewesen wäre, entsprechend der gesetzlichen Anforderungen die Vertreter der Belegschaft von vorne herein in ein mitbestimmtes Infektionsschutzkonzept mit einzubeziehen. Aber auch darüber hinaus wird es nach unseren Informationen innerbetrieblich zunehmend obszöner: 



Beschäftigte unter Androhung der Einstellung der Gehaltszahlung und Kündigung gezwungen die Arbeitsleistung zu erbringen


Kürzlich haben wir (hier) darüber berichtet, dass sich H&M im Nachhinein vom mit dem Gesamtbetriebsrat verhandelten Ergebnis zur Kurzarbeit durch neue Vereinbarungen zu lösen versucht, wonach laut Vorstellungen von H&M sowohl bei Studierenden als auch bei Beschäftigten auf 450€-Basis der vereinbarte Kündigungsschutz eliminiert werden soll, sowie deren Entgeltersatzleistung eingestellt werden soll. Seitdem eine Änderung der Kurzarbeitsphase unter diesen Bedingungen bei Arbeitnehmervertretungen größtenteils auf Ablehnung gestoßen ist, führt H&M die entsprechenden Änderungen der Kurzarbeit inzwischen in mehreren Filialen auf gesetzeswidrige Weise einseitig unter Umgehung des Betriebsrats durch. Beschäftigte werden nach örtlichen Informationen in diesen Stores unter Androhung der Einstellung der Gehaltszahlung und Kündigung gezwungen die Arbeitsleistung zu erbringen. Dass dazu im Regelfall die Rechtsgrundlage fehlt, weil größtenteils nach wie vor „Kurzarbeit mit Null Stunden“ mit dem Betriebsrat vereinbart ist, scheint H&M dabei nicht zu interessieren. 


Betrugsvorwürfe konnten bis jetzt nicht ausgeräumt werden


Auch die zuletzt berichteten Vorwürfe des Betrugs durch H&M im Umgang mit der Verbuchung der geleisteten Stunden bei Betriebsräten konnten nicht ausgeräumt werden. Vielmehr wurden sie durch die Weisung der Agentur für Arbeit verhärtet. Der jüngst von der Unternehmensleitung verbreitete „Newsletter“ wonach ein unentgeltlich und im vollen Umfang arbeitender Gesamtbetriebsrat nur auf seine eigenen Vorteile aus sein soll, kann auch nicht von alledem ablenken. Zuletzt können solche Verstöße auch nicht unter dem von H&M angeführten Deckmantel des „Pragmatismus“ oder der angeblichen „Sicherung von Arbeitsplätzen“ legitimiert werden. Die für solche Untaten verschwendeten Energien, wären in ein mit den Betriebsräten von vorne herein gemeinsam entwickeltes Arbeits- und Gesundheitsschutzkonzepts besser investiert gewesen.


Betriebsräte kämpfen deutschlandweit für ein Infektionsschutzkonzept und faire Bedingungen bei der Anpassung von Kurzarbeit



Nachdem der Alleingang der Unternehmensleitung von H&M beim Infektionsschutz kein erfolgreiches Ergebnis brachte, ist die Dringlichkeit mitbestimmter Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen vor Ort bereits vor Eröffnung der Filiale umso wichtiger. Somit ist es positiv, dass viele Betriebsräte dabei auf Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen im Umgang mit dem Infektionsschutz und der Kurzarbeit, mit dem Ziel der Schaffung eines gesunden und fairen Arbeitsplatzes, pochen.

Dementsprechend haben letzte Woche viele Betriebsräte damit begonnen, mit Hilfe von einstweiligen Verfügungen zu erreichen, dass keine Beschäftigten ohne Infektionsschutz und ohne Rechtsgrundlage zur Arbeitsleistung verpflichtet werden können. Dies hat heute bereits die erste Gerichtsentscheidung so bestätigt. Weitere werden folgen. Außerdem soll vielerorts erreicht werden, dass entsprechende Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen im Rahmen einer mitbestimmten Gefährdungsbeurteilung getroffen werden, bevor die ersten Kolleg*innen und Kund*innen eine Filiale betreten.

Ob die H&M-Geschäftsführer nach allen Geschehnissen im Sinne von Karl Lagerfeld die Kontrolle über ihr Leben verloren haben, vermag man dennoch nicht zu beurteilen. Die aktuellen Geschehnisse deuten indes darauf hin, dass sie zumindest die Kontrolle über ihren Laden verloren haben, womit sie jedoch nicht mehr ihrer Verantwortung gegenüber den Beschäftigten gerecht werden.


1 Kommentar:

  1. Auch eine Weisheit von Karl die wohl ohne das Zitat zu verändern den Nagel auf den Kopf trifft:
    "Es gibt auch Menschen, die legen sich an den Strand und warten dort, dass die Inspiration zu ihnen kommt. Nur kommt die Inspiration nicht einfach an den Strand."

    Es war genug Zeit sich vorzubereiten, ich komme aus der Pflege und wir haben es auch geschafft da ein Konzept umzusetzen und das bei Echtzeit, nix mit daheim bleiben. Das sagt genug über die Haltung aus von diesem Arbeitgeber. Es sollte gerade Solidarität herrschen und nicht Geld um jeden Preis.

    İch hoffe wenigstens das die Kunden ein Gewissen und die Verantwortung haben das sie ihre nächsten nicht Schaden und Haltung einnehmen. İch gehe auf jeden Fall nicht mehr in diesen Laden bis das geklärt ist.

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