Freitag, 14. August 2020

Und H&M bewegt sich doch! Internationale Solidarität und lokaler Arbeitskampf setzen Einzelhändler unter Druck



Seit Anfang Juni dauert der Kampf der 1.200 Beschäftigten von Gokaldas Exports im südindischen Srirangapatna um ihre Arbeitsplätze und gegen die Zerschlagung ihrer Fabrikgewerkschaft an. Der Arbeitskampf hat Symbolcharakter: Hersteller in ganz Südasien nutzen die Corona- Pandemie, um gewerkschaftlich organisierte Standorte zu schließen. Erzielen Gewerkschaft und Beschäftigte hier einen Erfolg, ermutigt dies andere Beschäftigte und weist die Unternehmen in die Schranken. 


Trotz Kündigungen kein Grund zum Pessimismus

Auf den ersten Blick sieht es in dem Arbeitskampf aktuell nicht gut aus: die meisten der 1.200 Beschäftigten haben mittlerweile zähneknirschend die Kündigung akzeptiert und Abfindungen angenommen. Da die Löhne niedrig und die Frauen oftmals die Hauptverdienerinnen in ihren Familien sind, war der Druck auf sie sehr groß. Zudem schickte das Management von Gokaldas Exports Handlanger zu den Arbeiter*innen nach Hause, um sie zum Unterschreiben der Kündi- gung zu nötigen. Entsprechende Szenen zeigt das Video hinter dem QR-Code.

Die Arbeiter*innen und ihre Gewerkschaft GATWU bleiben aber bei ihrem Protest und ihren Forderungen: die Fabrikschließung ist illegal und damit auch die Kündigungen. Daran ändern auch die erzwungenen Unterschriften unter Kündigungen nichts. Die Fabrik muss wiedereröffnen. Eine entsprechende Klage läuft vor der zuständigen Arbeitsbehörde und Arbeiter*innen und Gewerkschaft protestieren weiter.


H&M will nun doch Verhandlungen

Die Hartnäckigkeit der Kolleg*innen vor Ort und der internationale Protest zeigen Wirkung. Aktive Kolleg*innen und der Gesamtbetriebsrat von H&M, der Fachbereich Handel von ver.di, der globale Gewerkschaftsverband IndustriAll sowie weitere Gewerkschaften fordern von H&M ein, Verantwortung für die 1.200 Beschäftigten zu übernehmen und Druck auf das Management von Gokaldas Exports auszuüben. Mit Fotoaktionen, in Protesterklärungen und in Verhandlungen haben die Gewerkschafter*innen H&M mit der Lage vor Ort und den Forderungen der Kolleg*innen konfrontiert. Mit Erfolg: H&M hat anerkannt, dass sie Verhandlungen mit dem Management von Gokaldas Exports und Vertreter*innen der Gewerkschaft GATWU über eine Lösung des Konflikts führen müssen.

Wie diese Verhandlungen ablaufen werden, ist noch unklar und hängt von weiteren Solidaritätskationen und den kämpfenden Arbeiter*innen vor Ort ab. Aber unsere Kolleg*innen von GATWU gehen mit einer klaren Position in die Gespräche: der Standort bleibt und die Arbeiter*innen erhalten ihren Arbeitsplatz zurück.

 
Tryck - die einzige Sprache, die man beim schwedischen Einzelhändler versteht?

Es zeigt sich erneut: H&M reagiert nur auf gewerkschaftlichen Druck und Druck von Beschäftigten und Betriebsräten. Dies erleben die Beschäftigten bei H&M in Deutschland auch aktuell. Anstatt mit ver.di und den Beschäftigten über die Einführung von neuen Technologien und Arbeitsprozessen im Zuge der Digitalisierung zu verhandeln, will H&M die eigene Agenda durchsetzen. Die Interessen der Beschäftigten an guten Arbeitsbedingungen, sinnvoller Arbeit und Arbeitsplatzsicherheit bleiben auf der Strecke. Aber das Beispiel Gokaldas Exports zeigt: betrieblicher Druck - Tryck auf schwedisch - und internationale Solidarität wird in den Unternehmenszentralen von H&M in Hamburg und Stockholm verstanden.

Mittwoch, 5. August 2020

Drohen weitere Betriebsschließungen, noch stärkerer Personalabbau und eine Erweiterung der Arbeit?


H&M lehnt Verhandlungen über einen Digitalisierungstarifvertrag ab


Es ist das immer gleiche Drehbuch: Wen nein Unternehmen im Rahmen einer Umstrukturierung Betriebe schließen, Personal abbauen und Arbeit entwerten will, dann werden Betriebsräte und Gewerkschaften angegriffen, weil sie für Standort- und Beschäftigungssicherung und für qualifizierte Arbeit stehen.

Vor diesem Erfahrungshintergrund muss das aktuelle Vor- gehen von H&M bewertet werden.

Nachdem der Gesamtbetriebsrat am 24. Juni die Geschäfts- führung von H&M aufgefordert hatte, mit ver.di über einen Digitalisierungstarifvertrag zu verhandeln, erfolgte am selben Tag die Ankündigung des Unternehmens, den GBR drastisch verkleinern zu wollen.

Am 31. Juli kündigte H&M die Gesamtbetriebsvereinbarung zur Verkleinerung des GBR und schlug eine neue Vereinbarung vor, in dem der GBR von derzeit 40 auf zukünftig acht Mitglieder reduziert werden soll.

WAS SIND DIE FAKTEN?

  • Die Anzahl der zu verhandelnden Projekte sind in den letzten Jahren massiv gestiegen, eine weitere Steigerung hat H&M bereits mehrfach angekündigt. Nahezu alle übergreifenden Projekte aller Fachabteilungen von H&M müssen über den Tisch des GBR laufen.

  • Darauf hat H&M reagiert und sich mit der Schaffung einer zusätzlichen Managementebene selbst personell massiv verstärkt, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. H&M hat für Deutschland sogar eine neue Stelle für Verhandlungsmanagement geschaffen.
  • Bei einer stetig ansteigenden Zahl von Verhandlungen ist eine Verkleinerung des GBR für einen ehrbaren Kauf- mann keine richtige Schlussfolgerung - denn dadurch können die Vertretungen der Beschäftigten nicht mehr auf Augenhöhe verhandeln.

Auf diese Weise entmündigt H&M die Beschäftigten. Denn Betriebsräte sind von den Beschäftigten demokratisch gewählt, um in den eigenen Angelegenheiten im Betrieb und im Unternehmen gehört und beteiligt zu werden. Ähnlich undemokratisch geht H&M gegen die Beschäftigten vor, die ihr Grundrecht auf Vereinigung in einer Gewerkschaft wahrnehmen: Mit gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten nicht zu reden bedeutet, sie zum Schweigen bringen zu wollen. Diesen Ansatz verfolgt offenkundig die Unternehmensspitze:

     • Mit ver.di-Schreiben vom 21. Juli wurde H&M zu Verhandlungen über einen             Digitalisierungstarifvertrag aufgefordert und um Rückmeldung samt Terminvorschlägen bis zum 3. August gebeten.

Eine Antwort erfolgte nicht.

Damit ist zu befürchten, dass H&M im Rahmen seiner beabsichtigten Digitalisierungsstrategie weitere Betriebe
schließen, Personal abbauen und Arbeit entwerten will. Anstatt die ZukunftmitdenBeschäftigten gemeinsam zu gestalten, will H&M offenbar bei der Umstrukturierung des Unternehmens harte Fakten schaffen und die betroffenen Kolleginnen und Kollegen vor vollendete Tatsachen stellen. Im schlimmsten Fall sind dies Kündigungen oder ein Auslaufen befristeter Verträge.

JETZT MUSS GEHANDELT WERDEN!

Unmittelbar nach der Sommerpause wird die ver.di- Bundestarifkommission am 04. September und am 15./16. September zusammenkommen, um die Beteili- gung der Beschäftigten bei der geplanten Umstrukturie- rung von H&M sicherzustellen: Nur die eigene Beteiligung gibt den Beschäftigten die Möglichkeit, ihre eigenen Interessen zu formulieren und in den Umstrukturierungs- prozess einbringen zu können. In einem Digitalisierungs- tarifvertrag muss für die Beschäftigten sichergestellt werden:

• Beteiligung am Zukunftskonzept
• Beteiligung für nachhaltige Beschäftigungssicherung
• Beteiligung mit dem Ziel guter, gesundheitsförderlicher Arbeit

Beteiligung erreichen wir nur gemeinsam. In jeder Filiale müssen deshalb möglichst viele Kolleginnen und Kollegen Mitglied bei ver.di werden und dabei helfen, in den eigenen Filialen gewerkschaftliche Aktiven-Strukturen auf- zubauen. H&M wird die Beschäftigten bei der Gestaltung der Zukunft nur dann beteiligen, wenn wir viele sind!

Verteidigung der Mitbestimmung und die Durchset- zung eines Digitalisierungstarifvertrages - das sind zwei gute Gründe für dich, Mitglied bei ver.di zu sein und neue Mitglieder für ver.di zu werben: Damit wir gute Arbeit mit Zukunft gemeinsam gestalten können!



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