Donnerstag, 25. Juni 2020

H&M: Frontalangriff auf die Mitbestimmung



Mit diesen Methoden blockiert H&M Beschäftigungssicherung!


Schon oft ist H&M negativ in den öffentlichen Medien für seinen schlechten Umgang mit Arbeitnehmervertretergremien als „Union Buster“ ( = Sabotage von Betriebsräten und Gewerkschaften durch ein Unternehmen) bekannt geworden.

Nun wurde ein weiterer Vorfall bekannt.

In einem von der Unternehmensleitung verbreiteten Newsletter wird unterstellt, dass die Vorsitzende des GBR, Saskia Stock, die Unterschrift unter einen sogenannten „Digitalpakt“ verweigere. Weiter heißt es, dass durch die Verweigerung der Unterschrift die Zukunftsfähigkeit von H&M und den Beschäftigten gefährdet sei und es wird behauptet, dass die Vorsitzende des GBR mit dem Gremium „überfordert“ sei und eine „nicht vorhandene Zielorientierung des GBR für weitere Schließungen und betriebsbedingte Kündigungen sorgt“. In Konsequenz aus diesen Vorwürfen, „fordert“ H&M eine Verkleinerung des GBR.

Wir haben uns gefragt, was hinter dem sogenannten „Digitalpakt“, bei welchem H&M eine angebliche Einigung mit dem GBR indiziert, steckt und recherchiert:


 

Digitalpakt von H&M - eine Mogelpackung

Dass H&M den Rückstand bei technischen Neuerungen häufig auf Arbeitnehmervertretungen abzuwälzen versucht, ist aus der Vergangenheit bereits hinreichend bekannt. So wurde jüngst von Vertretern des Unternehmens gegenüber dem GBR geäußert, dass sich H&M die Schleife der Mitbestimmung nicht leisten könne. Dies kommt mit den Inhalten des uns vorliegenden „Digitalpakts“ besonders zum Ausdruck und es wird auch klar, warum H&M mit allen Mitteln versucht den GBR zur Unterschrift zu drängen: Die von H&M begehrte Unterschrift hätte beachtliche Folgen für die Beschäftigten, da H&M mit dem Digitalpakt ausschließlich das Ziel verfolgt, dass der GBR die zum Schutz der Arbeitnehmer gesetzlich verankerte Mitbestimmung weitgehend aufgeben soll. Im Ergebnis könnte H&M mit Abschluss des vorliegenden Digitalpakts nahezu walten, als ob es keine Arbeitnehmervertretung mehr gäbe. Eventuelle und bereits aus anderen Unternehmen bekannte negative Auswirkungen auf die Beschäftigten von Automatisierung von Arbeitsabläufen und künstlicher Intelligenz, wie Personalabbau, Outsourcing, Überwachung usw. könnten nahezu nicht mehr durch den Gesamtbetriebsrat und ver.di abgemildert werden.

Somit ist es konsequent, dass es auf Seiten des GBR zu keiner Zeit im Raum stand, den vom Arbeitgeber ausgearbeiteten Entwurf des „Digitalpakts“ so zu verabschieden. Dennoch war der GBR für Verhandlungen offen. Auf inhaltliche Anhaltspunkte des GBR, wie die Erklärung, dass der Entwurf von H&M überarbeitetet werden müsste, indem die für Arbeitnehmer wichtigen Punkte aufgenommen werden müssten und essentielle inhaltliche Fragen, u.a. zur Beschäftigungssicherung zu klären sind, erfolgte von der Unternehmensleitung trotz Erinnerung allerdings keine Reaktion. Auch hat der GBR für die Verhandlungen einen weiteren, insbesondere auf Digitalisierung im Handel spezialisierten Sachverständigen des GBR zur Unterstützung der Verhandlungen beschlossen. Auch diese Hinzuziehung wurde von H&M mit Stillschweigen ignoriert und somit offensichtlich nicht akzeptiert. Stattdessen sollte der GBR mit unlauteren Methoden, wie die Setzung objektiv nicht einhaltbarer Fristen, zur Unterschrift eines nicht verhandelten Entwurfes gedrängt werden. Besonders beachtlich dabei ist, dass zusätzlich derzeit Umstrukturierungen bei H&M im Projektmanagement erfolgen. Anstelle diese Chance zu nutzen und die Mitbestimmung in die neuen Abläufe lösungsorientiert möglichst früh mit einzubeziehen, wurde der Gesamtbetriebsrat bis heute noch nicht einmal über diese Umstrukturierungen aufgeklärt und sollte vielmehr einem Pakt zustimmen, der an den neuen Arbeitsabläufen völlig vorbei geht. Inwieweit mit diesem Vorgehen die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und insbesondere der Beschäftigten gesichert werden soll, bleibt indes fraglich.

 





Gesamtbetriebsrat und Beschäftigte fordern echte Beschäftigungssicherung durch Digitalisierungstarifvertrag

Für Beschäftigungssicherung und Zukunftsfähigkeit steht der GBR schon lange ein. So basiert der von H&M ins Leben gerufene „Digitalpakt“ auf einer seit 2018 bestehenden Forderung des GBR zur Aufnahme der Verhandlungen über einen Digitalisierungstarifvertrag mit der Gewerkschaft ver.di. Dabei soll nach Auffassung des GBR ein wesentlicher Inhalt eines solchen Tarifvertrages Regelungen über die Einbeziehung der Beschäftigten in Konzeption und Evaluation eines mit der Digitalisierung von Arbeitsabläufen verbundenen Zukunftskonzeptes des Unternehmens, sowie Regelungen zu Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Zusammenhang mit Digitalisierung und einer tarifvertraglich abgesicherten Beschäftigungssicherung beinhalten.

Im Auftakt dazu hat der GBR der Unternehmensleitung bereits die ca. 2000 Stützunterschriften von Beschäftigten aus den Forderungen des Positionspapiers überreicht.

 

H&M verweigert inhaltliche Diskussionen

Sämtliche Forderungen des GBR und der Beschäftigten, insbesondere nach Standort- und Beschäftigungssicherung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz im Zusammenhang mit der Digitalisierung sind im „Digitalpakt“ von H&M allerdings genauso wenig vorgesehen, wie die Einbindung der Beschäftigten in die Konzeption und Evaluation des ausgearbeiteten Zukunftskonzeptes „H&M-Store der Zukunft“ und „Mitarbeiter*innen der Zukunft“.

Vielmehr bestreitet H&M die aus anderen Unternehmen bekannten negativen Auswirkungen und verhindert dadurch Verhandlungen zu einem Interessenausgleich und Sozialplan. Stattdessen möchte H&M mit dem „Digitalpakt“ einen Ausverkauf der zum Schutz der Beschäftigten gesetzlich verankerten Mitbestimmungsrechte erzielen, indem die Betriebsverfassungsrechte des GBR zusätzlich abgeschwächt und das deutschlandweit agierende Gremium personell massiv beschnitten werden soll. Besonders perfide dabei ist, dass H&M in dem entsprechenden Newsletter mit geschickt eingesetzten rhetorischen Formulierungen versucht, die Beschäftigten gegen ihre eigenen Arbeitnehmervertretungsgremien und somit die Beschneidung der eigenen Arbeitnehmerschutzrechte zu instrumentalisieren.

 

Blockadehaltung in vielen Unternehmensbereichen

Darüber hinaus drückt H&M nicht nur bei einem Digitalisierungstarifvertrag mit Beschäftigungssicherung auf die Bremse. Die Blockadehaltung in Bezug auf Arbeitnehmerrechte zieht sich nach uns vorliegenden Informationen durch zunehmend mehr Unternehmensbereiche.

So befindet sich H&M aktuell laut eigenen Angaben zwar aufgrund der COVID-19-Pandemie in der größten Krise des Unternehmens, hält es aber trotzdem nicht für notwendig, eine Beratung über die Abmilderung dieser Krise mit dem Gesamtbetriebsrat sowie dem Wirtschaftsausschuss durchzuführen und diesen aktuelle finanzielle Kennzahlen des Unternehmens zur Verfügung zu stellen. Diese Gremien werden von H&M auf einmal als Außenstehende angesehen und der gesetzlichen Pflicht der Beratung über die finanzielle Situation wird so nicht nachgekommen.

Darüber hinaus ist bereits bekannt, dass es bei H&M aufgrund der zunehmend rauen Herangehensweise gegenüber Vermietern bei Mietvertragsverhandlungen im Hinblick auf Miethöhe, Laufzeiten und Mietkonditionen zu vermehrten Schließungen von Stores kommt. Aus diesem Grund wird es von vielen Arbeitnehmervertretungen in ganz Deutschland als erforderlich angesehen, Einsicht in diese Mietverträge zu bekommen. Auch diesbezüglich verweigert H&M seit Jahren die Zusammenarbeit mit dem GBR und WA.

 

H&M zieht Konflikte auf die persönliche Ebene

Anstelle mit dem GBR an solchen inhaltlichen Themen zu arbeiten, werden von H&M vermehrt Konflikte auf die persönliche Ebene gezogen. Nicht nur wird die Vorsitzende des GBR in dem Newsletter des Arbeitgebers namentlich diffamiert. Darüber hinaus hat H&M erst jüngst eine Zusammenarbeit mit dem ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden und Gesamtbetriebsratsmitglied, welches noch für den GBR im Rahmen einer Einigungsstelle tätig ist, abgelehnt, obwohl dieser demokratisch eingesetzt wurde und H&M diese Ablehnung gar nicht zusteht. 



Nicht der erste Vorfall von Falschaussagen seitens H&M

Dieses Vorgehen scheint bei H&M System zu haben, denn ist diese Herangehensweise nicht neu. So ist bereits ein gerichtliches Verfahren aufgrund von Falschaussagen über Arbeitnehmervertretungen in einem der letzten unternehmensweiten Newsletter gegen H&M anhängig. Ob nun ein weiteres Verfahren gegen H&M hinzukommt, ist in rechtlicher Prüfung.

Ob dieses Handeln von H&M ausschließlich auf Unprofessionalität beruht oder damit von der Unternehmensleitung bewusst die Bearbeitung inhaltlicher Themen mit den Arbeitnehmervertretungen blockiert oder gar etwas vertuscht werden soll, kann von uns nicht beurteilt werden.

Der Zukunftssicherung des Unternehmens und insbesondere der Beschäftigten stehen diese Vorgehensweisen jedenfalls entgegen.





#WIRallestehenvorSASKIA  #HMxWE

Freitag, 5. Juni 2020

H&M: Einführung von Arbeit auf Abruf?



 

Seit 2019 ist Arbeit auf Abruf gesetzlich definiert als „Arbeitsleistung entsprechend des Arbeitsanfalls“. Diese Änderung des Teilzeitbefristungsgesetzes hat bei H&M damals für einen großen Aufschrei gesorgt, schließlich hat ein Vertrag unter Arbeit auf Abruf seit 2019 zur Folge, dass ein Arbeitgeber von den vertraglich vereinbarten Mindeststunden lediglich um 25% mehr abrufen darf (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Das Geschäftsmodell von H&M baut aber gerade darauf auf, einen Großteil auf flexibler Stundenbasis und als Werkstudenten zu beschäftigen und sich so möglichst viel Flexibilität bei Schwankungen im Arbeitsanfall zu erhalten. Bei diesen Vertragsarten werden wöchentlich nur wenige Stunden (oftmals nur 10) zugesichert. Erst bei erhöhtem Arbeitsanfall ruft H&M von diesen Beschäftigten dann zusätzliche Stunden ab. Derartige prekäre Vertragsverhältnisse hat der Gesamtbetriebsrat damals zurecht als „Arbeitsleistung entsprechend des Arbeitsanfalls“ und somit Arbeit auf Abruf bewertet.

Damit H&M den Umfang der verplanten Stunden wöchentlich weiterhin drastisch verändern und an den Arbeitsanfall anpassen konnte, hatte sich H&M aus dieser Thematik rausgewunden, indem den Store Managern in einem damaligen internen Schreiben folgendes vermittelt wurde: 


Bei H&M liegt demnach keine Arbeit auf Abruf vor, da Abweichungen der Vertragsstunden nicht einseitig durch den Arbeitgeber, sondern nur gemeinsam und einvernehmlich nach Absprache mit dem Beschäftigten erfolgen können und auch nur anhand dieser Absprachen geplant werden darf.



Frage der Arbeit auf Abruf ist neu zu bewerten


 1,5 Jahre später scheint H&M die deutschlandweit damals selbst gesetzten Vorgaben vergessen zu haben - zumindest hält sich H&M in Zeiten von Kurzarbeit nicht mehr daran: Kurzarbeit hat zunächst den Sinn und Zweck einer Reduzierung der Arbeitsleistung aufgrund von Arbeitsausfall. Hier liegt es allein schon deshalb nahe, in Zeiten von Kurzarbeit als Bemessungsgrundlage für die Arbeitsleistung die Vertragsstunden zu verwenden und aktuell nicht von diesen in Form von Überstunden abzuweichen - weder im Einvernehmen und schon gar nicht einseitig. Demgegenüber werden allerdings durch H&M auf einmal in zahlreichen Stores viel höhere Durchschnittsstunden für die Ermittlung des Arbeitseinsatzes von Mitarbeitern auf flexibler Stundenbasis herangezogen. Dies führt dazu, dass Beschäftigte auf flexibler Stundenbasis jetzt - entgegen der damaligen Aussagen zur Einvernehmlichkeit - einseitig durch H&M auf einmal trotz Kurzarbeit mehr arbeiten müssen, als dies ohne Kurzarbeit der Fall wäre. Dies wiederspricht nicht nur dem Sinn und Zweck der Kurzarbeit, sondern hat auch zur Folge, dass die Frage der Arbeit auf Abruf neu zu bewerten ist, denn von der Einvernehmlichkeit bei der Abweichung der Mindeststunden ist heute nicht mehr viel zu erkennen. (Klarstellend: Die Grundlage der Durchschnittstunden die vom Gesamtbetriebsrat vereinbart wurde, bezieht sich lediglich auf die Aufstockung des Entgelts, nicht jedoch auf einen erhöhten Umfang der Arbeitsleistung). 

Bleibt nur zu hoffen, dass H&M nach Beendigung der Kurzarbeit auch in umsatzarmen Zeiten weiterhin die Durchschnittsstunden als Maßstab des Arbeitseinsatzes heranziehen wird und nicht wieder nur die vertraglichen Mindeststunden als maßgeblich ansieht und somit Beschäftigte zukünftig nicht mehr auf den Klageweg angewiesen sind, um ein erhöhtes Stundenvolumen dauerhaft geltend machen zu können.