Freitag, 5. Juni 2020

H&M: Einführung von Arbeit auf Abruf?



 

Seit 2019 ist Arbeit auf Abruf gesetzlich definiert als „Arbeitsleistung entsprechend des Arbeitsanfalls“. Diese Änderung des Teilzeitbefristungsgesetzes hat bei H&M damals für einen großen Aufschrei gesorgt, schließlich hat ein Vertrag unter Arbeit auf Abruf seit 2019 zur Folge, dass ein Arbeitgeber von den vertraglich vereinbarten Mindeststunden lediglich um 25% mehr abrufen darf (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Das Geschäftsmodell von H&M baut aber gerade darauf auf, einen Großteil auf flexibler Stundenbasis und als Werkstudenten zu beschäftigen und sich so möglichst viel Flexibilität bei Schwankungen im Arbeitsanfall zu erhalten. Bei diesen Vertragsarten werden wöchentlich nur wenige Stunden (oftmals nur 10) zugesichert. Erst bei erhöhtem Arbeitsanfall ruft H&M von diesen Beschäftigten dann zusätzliche Stunden ab. Derartige prekäre Vertragsverhältnisse hat der Gesamtbetriebsrat damals zurecht als „Arbeitsleistung entsprechend des Arbeitsanfalls“ und somit Arbeit auf Abruf bewertet.

Damit H&M den Umfang der verplanten Stunden wöchentlich weiterhin drastisch verändern und an den Arbeitsanfall anpassen konnte, hatte sich H&M aus dieser Thematik rausgewunden, indem den Store Managern in einem damaligen internen Schreiben folgendes vermittelt wurde: 


Bei H&M liegt demnach keine Arbeit auf Abruf vor, da Abweichungen der Vertragsstunden nicht einseitig durch den Arbeitgeber, sondern nur gemeinsam und einvernehmlich nach Absprache mit dem Beschäftigten erfolgen können und auch nur anhand dieser Absprachen geplant werden darf.



Frage der Arbeit auf Abruf ist neu zu bewerten


 1,5 Jahre später scheint H&M die deutschlandweit damals selbst gesetzten Vorgaben vergessen zu haben - zumindest hält sich H&M in Zeiten von Kurzarbeit nicht mehr daran: Kurzarbeit hat zunächst den Sinn und Zweck einer Reduzierung der Arbeitsleistung aufgrund von Arbeitsausfall. Hier liegt es allein schon deshalb nahe, in Zeiten von Kurzarbeit als Bemessungsgrundlage für die Arbeitsleistung die Vertragsstunden zu verwenden und aktuell nicht von diesen in Form von Überstunden abzuweichen - weder im Einvernehmen und schon gar nicht einseitig. Demgegenüber werden allerdings durch H&M auf einmal in zahlreichen Stores viel höhere Durchschnittsstunden für die Ermittlung des Arbeitseinsatzes von Mitarbeitern auf flexibler Stundenbasis herangezogen. Dies führt dazu, dass Beschäftigte auf flexibler Stundenbasis jetzt - entgegen der damaligen Aussagen zur Einvernehmlichkeit - einseitig durch H&M auf einmal trotz Kurzarbeit mehr arbeiten müssen, als dies ohne Kurzarbeit der Fall wäre. Dies wiederspricht nicht nur dem Sinn und Zweck der Kurzarbeit, sondern hat auch zur Folge, dass die Frage der Arbeit auf Abruf neu zu bewerten ist, denn von der Einvernehmlichkeit bei der Abweichung der Mindeststunden ist heute nicht mehr viel zu erkennen. (Klarstellend: Die Grundlage der Durchschnittstunden die vom Gesamtbetriebsrat vereinbart wurde, bezieht sich lediglich auf die Aufstockung des Entgelts, nicht jedoch auf einen erhöhten Umfang der Arbeitsleistung). 

Bleibt nur zu hoffen, dass H&M nach Beendigung der Kurzarbeit auch in umsatzarmen Zeiten weiterhin die Durchschnittsstunden als Maßstab des Arbeitseinsatzes heranziehen wird und nicht wieder nur die vertraglichen Mindeststunden als maßgeblich ansieht und somit Beschäftigte zukünftig nicht mehr auf den Klageweg angewiesen sind, um ein erhöhtes Stundenvolumen dauerhaft geltend machen zu können.


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